Aufriss einer neuen Psychoanalyse

Meine Dreierstruktur des  Geisteslebens

Wir haben nicht die Freiheit, dieses oder jenes zu erreichen, aber die, das Notwendige zu tun oder nichts.

Oswald Spengler

Einführung

mit der Auffindung dieser Dreierstruktur des Geisteslebens ist dem Elementarvorgang allen Lebens, nämlich dem Denken, eine Orientierung gegeben, die der Führung des Lebens die nötige Sicherheit gibt.

Die zudem die Möglichkeit eröffnet, zu einer Ordnung der Werte des Lebens zu finden.

Grundlegende Gedankengänge und lebensgeschichtliche Entwicklungen

Ohne Struktur kein Leben.

Das Leben entfaltet sich innerhalb von Strukturen. Das Denken gehört zu den Elementarvorgängen des Lebens. Das Leben des Geistes ist lebenswichtiger Bestandteil im Leben des Gesamtorganismus.

Das Leben des Geistes ist nötig und verantwortlich für die Orientierung und für die Führung des Individuums in dieser Welt.

Die Strukturen des Geisteslebens waren dem Menschen schon seit Urzeiten Gegenstand seiner Forschung. Denn sein Denken war ihm ein Rätsel, das zu lösen ihm schon immer sehr wichtig war. Es war ihm schon immer ein Anliegen, richtig zu denken. Möglichst wenige Fehler zu machen. Im Umgang miteinander und im Umgang mit seiner Umgebung, der Natur.

Die Auffindung von brauchbaren Strukturen gelang ihm schon bald.

Gefühl und Verstand, diese beiden Strukturen, sind in der Geschichte der Menschheit uralt. Und schon lange im Gebrauch. Dass es Gefühls Menschen gibt und Verstandesmenschen, ist seit Menschengedenken alltägliche Erfahrung. Und dass sich diese beiden schwer verstehen, ebenso.

Gefühl und Verstand sind zwei Namen, die schon bald zu Begriffen wurden und dann auch den Charakter von Strukturen des Geisteslebens annahmen.

Als solche sind sie seit Generationen im Gebrauch. Aber dabei ist es lange geblieben.

Dass es Gefühls Menschen gibt und Verstandesmenschen und dass die große Verständigungsprobleme haben, das gilt als abgemachte Sache. Aber dabei ist es vorerst geblieben.

Mit der Psychoanalyse begann für die Erforschung des Geisteslebens eine neue Zeit. Siegmund Freud war in diesem Bemühen ein bedeutender und in vieler Hinsicht erfolgreicher Pionier.

Viele seiner Erkenntnisse sind geblieben. Und werden bleiben. Andere haben ihre Bedeutung verloren, weil sie sich in der Realität nicht bewährt haben. Alles Menschenwerk ist Stückwerk. Alle Menschenwerke zusammengenommen aber bringen Erkenntnisse, die brauchbar sind, und die ihre Brauchbarkeit auch behalten. Die also die Entwicklung der Menschheit voranbringen.

Die Psychopharmakologie, die so alt ist wie die Menschheit, die ist im Zuge der neuen Zeit und dem Erwachen eines Bewusstseins für die Notwendigkeit der Erforschung des Geisteslebens, ebenfalls zu neuem Leben erwacht. Dabei ist offenbar geworden, dass das Denken begleitet ist von chemischen und physikalischen Erscheinungen, die inzwischen einer Messbarkeit zugänglich sind. Dass es also auch möglich ist, dem Denken mit anderen Methoden nahe zu kommen, als es dies die Psychoanalyse konnte.

Die Errungenschaften der Psychopharmakologie sind beachtlich. Somit gilt die Aufforderung Sigmund Freuds weiter, dass die beiden Methoden der Erforschung des Geisteslebens, nämlich die Psychopharmakologie und die Psychoanalyse, dass beide sich weiterhin anstrengen sollen in dem Wettkampf um die besten Ergebnisse im Ringen um ein richtiges Denken.

Mein Berufsweg hat mich zu Einsichten geführt sowohl in der Pharmakologie als auch in der Psychoanalyse. In meinen pharmakologischen Forschungen ging es um die Physiologie und die Pharmakologie des Herzens. Also nicht direkt um die des Geisteslebens. Die Zustände der Ruhe und der Erregung  in Herzzellen und in Nervenzellen sind jedoch prinzipiell sehr ähnlich. Was ihre physikalisch darstellbaren und messbaren Begleiterscheinungen angeht. Entsprechend ihrer unterschiedlichen Funktionalität zeigen diese beiden Zellarten charakteristische Bilder.

Die Prinzipien der Erforschbarkeit des Geisteslebens mit den Methoden der Physik sind mir also aus gemachter Erfahrung klar. Die Methoden der Chemie sind mir ebenfalls geläufig.

In den späteren Jahren meines Berufslebens nach langen Jahren in der klinischen (Innere Medizin) wie auch bei der hausärztlichen Medizin bin ich mehr schicksalhaft als durch ausdrückliches Wollen in der Psychoanalyse mit ihren ganz eigenen Forschungsmethoden angekommen.

Rückblickend wird mir klar, dass ich schon als Jugendlicher ausgeprägte Forschungstendenzen hatte. In der Schule war ich der „Meister“. Gemeint war der Meister der Philosophie. Also schon damals hat mich die Erforschung des Geisteslebens sehr beschäftigt.

In der Psychoanalyse nach Sigmund Freud kam ich also an als erfahrener Forscher. Also als einer, der das, was er bei seinen Beobachtungen findet, nicht dem Zufall oder gar der Nichtbeachtung überlässt, sondern in seinem Erscheinungsbild und seiner funktionalen Bedeutung weitgehend erkennen und sicherstellen will.

Ich will sicher sein, dass mein Denken stimmt. Und dass, wenn es in einem Denken eine Allgemeingültigkeit gibt, das die dann auch meinen Mitmenschen zugute kommt.

Als solcher kam ich in der Psychoanalyse an. Anfangs als gelehriger und folgsamer Schüler. Ich war sehr fleißig. Jahrelang habe ich 8 bis10 Patienten täglich in Bearbeitung genommen. Ich habe in den Jahren vieles gesehen und erlebt und beobachten und erproben können. Und das habe ich auch getan. Gar nicht mit vollem Bewusstsein. Einfach in der mir gewohnten Art. Die, wie mir auch hier erst allmählich bewusst wurde, die eines Forschers ist.

Das Problem der Auffindung einer im Geistesleben herrschenden Struktur des Denkens, das hatte Sigmund Freud als erster nach Jahrhunderten, in denen dieses Problem im Dornröschenschlaf versunken war, wieder aufgenommen.

Die Zweierstruktur von Gefühl und Verstand, war als solche etabliert, auch ständig im Gebrauch. Auch auf mancherlei Weise in der Diskussion, aber letztlich in seiner unaufgelösten Problematik stecken geblieben.

Siegmund Freud postulierte eine Dreierstruktur des Geisteslebens bestehend aus dem Es, dem Ich und dem Über-Ich.

Das Denken, das daraus folgte, war sein Denken. Das Denken der von ihm benannten Psychoanalyse.

Als folgsamer und gehorsamer Schüler war ich jahrelang bemüht, dieses Denken nachzuvollziehen und entsprechend anzuwenden.

Ich kam lange Zeit gar nicht auf den Gedanken, es ernsthaft auf seine Tauglichkeit zu überprüfen. Rückblickend war ich fast so etwas wie gebannt in diesem Denken.

Erst ganz allmählich und anfangs von mir selbst fast unbemerkt begann ich, gesetzte Denkgrenzen zu überschreiten und wieder selber zu beobachten und selber zu denken.

Mein alter Forschergeist erwachte und begann sich vorsichtig zu bewegen. Ich wollte auf keinen Fall einen Fehler, einen Behandlungsfehler, begehen. Nein, das konnte und wollte ich mir nicht leisten.

Ich betrachtete bei meinen Patienten bei Gelegenheit und zu gegebener Zeit die Dreierstruktur des Geisteslebens nach Sigmund Freud. Also das Es, das Ich, das Über-Ich. Und ich versuchte, sie dort bei meinen Patienten zu finden und anzuwenden.

Dabei kamen mir allmählich die uralten Begriffe von Gefühl und Verstand wieder in den Sinn. Ich fragte mich: wo ist bei Freud der Verstand? Ich fand ihn nirgends, direkt sowieso nicht, aber auch nicht indirekt.

Anfangs fügte ich seiner Dreierstruktur den Verstand hinzu. Vielleicht hatte Sigmund Freud ihn bei seinen Überlegungen übersehen. Ein Pionier ist bisweilen derart vertieft in sein Forschungsobjekt, dass er die Welt vergisst. Wenn er die Welt vergisst, dann braucht er den Verstand nicht.

Ich blieb also mit meinem Denken kurzzeitig bei meiner neuen Viererkonstruktion des Geisteslebens.

Nun aber war mein Forscher Geist wirklich erwacht.

Ich nahm sein Es in Betracht und fragte mich: wo bleiben die Gefühle?

Dabei geriet in mir das Gesamtgefüge seiner Dreierstruktur ins Wanken.

Wieso waren ihm bei der Aufstellung seiner Dreierstruktur des Geisteslebens die Existenz und der Gebrauch der bereits vorhandenen Zweierstruktur des Geisteslebens bestehend aus Gefühlen und Verstand und deren ungelöste Umgangsproblematik nicht in den Sinn gekommen?

Oder aber: was bringt die Aufstellung seiner Dreierstruktur gegenüber der bereits bestehenden Zweierstruktur für das Denken der Menschen für Vorteile?

Vielleicht war ihm auch gar nicht deutlich, dass es bei der Erforschung des Geisteslebens nicht geht um das Aufstellen von Strukturen, sondern um das Auffinden von naturgegebenen Strukturen. Nicht um gedachte Strukturen, sondern um gegebene. Und zwar deshalb, weil Strukturen für die Leistungen des Denkens lebensentscheidend sind. Ein Denken ohne Strukturen gibt es überhaupt nicht. Es ist nicht egal, mit welchen Strukturen es  das Denken zu tun hat. Die müssen stimmen.

Darum geht es ja doch bei der Erforschung des Geisteslebens, dass nämlich das Denken des Menschen Richtigkeit hat. Richtigkeit im Sinne der Natur. Seiner eigenen Natur, der Natur des Menschen also, und dem Großen und Ganzen aller Natur. Bei dieser Richtigkeit des Denkens geht es um den Erhalt des menschlichen Lebens und Daseins.

Das war für mein Denken schließlich die offene und freie Bahn. Nämlich zur Suche nach einer Struktur des Geisteslebens, die die Natur gemacht hat. Und nicht wir Menschen. Nach einer Struktur des Geisteslebens, die das Denken des Menschen den Gesetzmäßigkeiten der Natur nahe bringt.

Beobachten, denken, wiederholen, überlegen, ausprobieren

Und diese Suche mithilfe einer Methode, die aller Naturforschung gemeinsam ist:

Beobachten, denken, wiederholen, überlegen, ausprobieren, nach Gegenproben suchen, Beurteilungen wagen, Anwendungen wagen, weitere Beobachtungen, Gegenfragen zulassen, ein Gesamtbild versuchen, nicht aufhören damit. Keine Gesetzmäßigkeit der Natur ist jemals ganz erforscht.

Wer nur genau genug und lange genug beobachtet, registriert, sammelt und nachdenkt, der kann allein mithilfe seiner Sinne zu sehr tiefen Erkenntnissen und Einsichten in die Geheimnisse der Natur gelangen.

Das Denken selbst kann man weder darstellen noch messen, denn es ist Struktur los. Das Denken ist nur mittelbar erreichbar. Nämlich an seinen Auswirkungen.

Die sind in den Methoden der Physiologie und Pharmakologie seine physikalischen und chemischen. Und in den Methoden der Psychoanalyse sein Tun (Worte, Taten, Verhalten) und sein Nichttun.

Inhaltlich ist kein Denken erreichbar.

Bei der Methode der Psychoanalyse noch am ehesten. Aber durchaus nicht alle Tage, sondern eher selten. Das sind dann Sternstunden. Immerhin es gibt sie.

Auf diese Weise kam ich zu meiner Struktur des Geisteslebens.

An dem Denken, das diese Struktur ermöglicht, ist zu erkennen, dass ich auf dem richtigen Weg bin.

Durch diese aufgefundene Struktur und das durch sie ermöglichte Denken, ist die Psychoanalyse zu der Bedeutung, die sie ursprünglich beanspruchte, jetzt wirklich gekommen.

Diese neue Psychoanalyse ist in erster Linie eine Denkorientierung. Erst in zweiter Linie eine Therapiemethode.

Diese Psychoanalyse liefert in erster Linie Diagnosen des Denkens.

Wie ein Mensch denkt, so ist er, so handelt er, so verhält er sich.

Welche Therapiemethode jemand auch zu Verfügung hat und anwendet, ist prinzipiell egal. Wichtig am Ende ist nur, dass er bei seinem therapeutischen Handeln die richtige Denkdiagnose im Rücken hat, und dass er es mit seiner Behandlungsmethode schafft, das Denken seines Patienten erstens zu erreichen und zweitens im Sinne seiner persönlichen Problematik zu korrigieren.

Die psychoanalytische Behandlungsmethode nach Sigmund Freud, nämlich die freie Assoziation, habe ich weitgehend verlassen, weil sie nicht frei ist, sondern weitgehend kontrolliert. Und das im Sinne der Problemvermeidung. Und das ausgemachter Erfahrung.

Ohne etwas zu wissen, kann ich nicht mitdenken. Das sage ich jedem am Anfang. Ohne ein eingehendes Studium der Lebensgeschichte fange ich gar nicht an. Danach besteht Redefreiheit.

Die Liege habe ich nicht abgeschafft. Ein liegender Mensch denkt anders als einsetzender. Das kann manchmal hilfreich sein.

Meine Struktur des Geisteslebens ist ebenfalls eine Dreierstruktur geworden. Sie besteht aus den Gefühlen, dem Ich, den Stimmen des Verstandes.

Sie hat die Problematik der Zweierstruktur, nämlich Gefühl und Verstand, gelöst. Sie ist auch keine Viererstruktur geworden. Denn in ihr hat alles Wesentliche des Geisteslebens seinen Platz.

Das Es der Freudschen Dreierstruktur ist  in den Gefühlen aufgegangen. Und das Über-Ich von Freud hat sich als Eigenschaft der Gefühle erübrigt.

Die Gefühle sind ansteckend. Schon deshalb, weil sie alle in uns drin sind.

Auf dem Wege zu meiner Dreierstruktur des Seelenlebens

Ich sehe zwischen dem Leben der Seele und dem Leben des Geistes keinen prinzipiellen Unterschied. Ich spreche das eine Mal vom Seelenleben, das andere Mal vom Geistesleben, meine aber immer dasselbe.

Gefühl und Verstand, diese beiden, verstehen sich nicht. Das weiß man. Man spricht von Gefühlsmenschen und von Verstandesmenschen. Daran hat man sich gewöhnt. Damit hat man sich abgefunden.

Die einen beschimpfen und beschuldigen die anderen, und die anderen beschimpfen und beschuldigen die einen. Sie streiten und kämpfen oder sie gehen sich aus dem Wege. Die Gefühlsmenschen schreien, und die Verstandesmenschen lächeln entgeistert. Sie verstehen einfach nicht, warum der andere sie nicht versteht.

Ich hatte ein Erlebnis, in dem mir eines klar geworden ist.

Bei mir war ein Paar. Die saßen sich gegenüber. Er ein Verstandesmensch in Reinkultur, sie ein Gefühlsmensch in Reinkultur. Die redeten aneinander vorbei. Die konnten sich auf nichts einigen. Egal, bei welchem Thema. Von Problembearbeitung keine Spur.

Menschen mit einem Denken in Reinkultur sind selten. Gemischtkultur- Menschen sind die Regel. Die können sich wenigstens auf dies oder das einigen.

Bei Reinkulturen von dieser Art wird besonders deutlich, dass es prinzipiell bei diesen beiden Arten des Denkens keine Verständigung gibt.

Für die Erforschung des Geisteslebens folgt daraus, dass es bei diesen Reinkultur- Menschen einen Mangel geben muss, einen Strukturmangel. Einen Mangel oder eine außerordentliche Schwäche von einer dritten Struktur.

Bei diesem Erlebnis tauchte bei mir der Gedanke vom Ich als einer Struktur des Geisteslebens auf. Von dem Bild und der Notwendigkeit eines Ich im Denken des Geistes.

Das war ein Gedanke, aber nicht sehr viel mehr. Mir wurde damals schon deutlich, dass der Weg zu einem verständlichen Bild vom Ich schwer sein würde.

Mein erster Gedanke war nun, um überhaupt mich auf den Weg zur Erforschung des Geisteslebens einzulassen, mich zunächst einmal mit dem zu beschäftigen, was mir am einfachsten erschien.

Am einfachsten erschien mir damals der Verstand. Und der war von den drei Strukturen auch der, den man am einfachsten erfassen konnte. Und so ist es auch geblieben. Den Verstand, den versteht jeder sofort und ohne weiteres.

Der Verstand

der Verstand liefert uns die Realität der Welt. Der ermöglicht es uns, Realitäten zu erfassen, zu beurteilen und selbst zu erschaffen. Der Verstand ist zuständig für unseren Umgang mit uns in dieser Welt.

Das Ich kann das auch, aber der Verstand ist es, der im Zweifelsfall darauf besteht.

Dem Ich ist der Verstand ein lebenswichtiger Helfer.

Der Verstand ist aus dem Ich hervorgegangen. Das Ich hat sich den Verstand erschaffen. Als Sicherung vor der Übergriffigkeit der Gefühle.

Der Verstand ist die Seite des Ich, die mit der Realität zu tun hat. Die das Ich zu seiner eigenen Sicherheit ausgelagert hat, um ihm dadurch eigenverantwortlich tätige Kraft zu verleihen.

Die wichtigste Aufgabe des Verstandes besteht darin, dem Ich gegenüber dem Wollen der Gefühle Beistand zu leisten. Besonders dann, wenn es darum geht, dem Ich bei der Behauptung seiner Hausherren Rolle den Rücken zu stärken.

Die zweitwichtigste Aufgabe des Verstandes besteht darin, dem Ich bei seinem Umgang mit der Welt beizustehen .

Der Verstand ist ein durch und durch irdischer Geselle. Für Überirdisches hat der keinen Sinn. Die Arbeiten, die der tut, sind irdische. Die tut er je nach Ausbildung und Trainingszustand gut und zuverlässig.

Aber eine Eigeninitiative, die besitzt der Verstand nicht. Alle Eigeninitiative geht aus vom Ich. Die gehört zur Führungsausstattung des Ich.

Die Leistungsfähigkeit des Verstandes hängt sehr ab von seinem Trainingsfleiß.

Der Verstand neigt zu Bequemlichkeit. Der braucht viel Schlaf. Ohne Beauftragung durch das Ich tut der Verstand nichts.

Die Gefühle

die Gefühle mit allen ihren Eigenarten sind ein großes Thema. Angesichts dieser Größe, Weite, Unsicherheit, Wandelbarkeit war ich manchmal nahe daran, für mein Vorhaben, einer Struktur des Geisteslebens beizukommen, den Mut zu verlieren.

Der Verstand war eine klare Struktur. Mit seinen Eigenschaften, seinen Fähigkeiten und seinen Unfähigkeiten, mit seinem Tun. Der Verstand hat Struktur. Der Verstand ist Struktur.

Die Gefühle sind das Leben selbst. Sie sind strukturlos. Sie sind nicht fassbar, aber sehr sehr wirksam. Sie sind die reine Energie.

Dies war eine erste große Erkenntnis. Eine Erkenntnis, die nicht zufrieden stellte, aber wenigstens nicht ganz den Mut zum Weitermachen nahm.

Eine zusätzliche Einsicht in diesem Zusammenhang brachte etwas Ruhe in die weitere Erforschung der Gefühle.

Nämlich eine Hilfestellung von Seiten des Verstandes: wenn man bei einem aufkommenden Gefühl diesem Gefühl den richtigen Namen gibt, dann verliert es augenblicklich etwas von seiner Kraft, bei weitem nicht alle Kraft, immerhin aber so viel, dass man diesem Gefühl nicht mehr ausgeliefert ist, sondern wenigstens einigermaßen mit ihm umgehen kann. Diese Namensgebung ist eine Leistung des Verstandes. Die verleiht dem Gefühl etwas Strukturelles.

Beispiel: die Hilflosigkeit. Ein Gefühl, dass den Betroffenen in seinem Verhalten unkalkulierbar macht für ihn selbst und für seine Umgebung. In dem Augenblick aber, in dem ihm einfällt, dass er hilflos ist und das sogar ausspricht, geht es ihm schon besser. Dann ist er jedenfalls einigermaßen in der Lage, mit dieser Schwierigkeit umzugehen.

Gefühle müssen nicht gerufen werden. Die sind sofort zur Stelle. Immer und ungerufen. Und tätig. Und dies auf ihre ganz eigene Art. Und die heißt: Problemvertreibung. Nicht etwa Bearbeitung. Das wäre die Art des Ich. Nein, die Abwehr. Und die in allen nur denkbaren Formen. Je nach Möglichkeit. Über die Verleugnung bis hin zur Vernichtung.

Für die Gefühle ist das Leben problemlos.

Die Gefühle brauchen keinen Schlaf. Die sind die Herren über den Schlaf und die Träume. Da ist das Ich schon lange am Ende seiner Kraft und der Verstand im Tiefschlaf, da sind die Gefühle immer noch voll im Einsatz. Die schützen das Leben. Die kämpfen bis zur letzten Patrone.

Im Unbewussten ist ihr eigentliches Zuhause. Da ist die Herrschaft der Gefühle unumschränkt. Von hier aus schicken Sie Ihre Boten an das Ich. Das sind die Einfälle, die Ideen, die Einsichten, die Visionen. Alle Gesichter der Fantasien. Bei vielen Entscheidungen, Beschlüssen stehen die Gefühle Pate.

Das Ich in seiner Hausherren Rolle hat an manchen Tagen alle Hände voll zu tun mit der Sortierung und Beurteilung aller dieser Boten aus dem Unbewussten. Und mit ihrer Zulassung oder Abweisung.

Dies eine weitere große Erkenntnis über die Eigenarten der Gefühle.

Ich war immer von neuem beeindruckt von der Fülle der Gefühle. Und im Hinblick auf mein Vorhaben, einer Struktur des Geisteslebens beizukommen, bisweilen schon ganz schön ratlos.

Ich hatte schon den Gedanken, bei den Gefühlen von einem „Kosmos der Gefühle“ zu sprechen, in der Hoffnung, damit einen Raum gefunden zu haben, in dem alle Sorten und Ausmaße der Gefühle einen genügenden Platz für sich haben würden.

Im Angesichte aber der unabsehbaren Gefilde des Unbewussten kamen mir Zweifel an dieser Unterkunft.

Mir kam die Ahnung, dass es hier um etwas viel Größeres ginge als um Räume, dass es hierbei  ging um Grenzüberschreitungen. Um Grenzüberschreitungen ins vollkommen Ungewisse.

Das Gefühlsleben ist mit innerweltlichen Dimensionen nicht wirklich erfassbar.

Mir kam eine alles bewegende Einsicht. Die von der überweltlichen Existenz und Reichweite der Gefühle.

Damit ergab sich plötzlich eine Zuordnung für alle großen Gefühle des Lebens.

Für den Glauben, die Hoffnung, die Liebe. Für Gott, für alles Große und Grenzenlose, für das Große und Ganze, für alle Natur. Für jenseits und Fantasie. Für Religionen.

Alle die großen Begriffe, die bisher bei der Betrachtung der Gefühle abseits gestanden hatten, die alle waren plötzlich eingegangen in das Leben der Gefühle. Mittendrin waren sie angekommen in der großen Familie allen Lebens.

Überweltliche Gefühle sind alle die, die über den Tod hinaus gehen.

Und ich war endlich zufrieden, dankbar und zufrieden über diese Entdeckung. Und das bin ich heute noch.

Und in meinem Vorhaben, einer gültigen Struktur des Geisteslebens beizukommen, ein großes Stück weitergekommen.

Diese Struktur des Geisteslebens kommt in der Dreierstruktur des Sigmund Freund überhaupt nicht vor. Damit konnte diese Struktur dem menschlichen Denken und Dasein nicht gerecht werden.

Diese Struktur ist aber nun eine Gegebenheit. Die haben wir uns nicht selbst gemacht. In dieser Struktur finden wir uns vor und mit ihr und diesen ihren Dimensionen müssen wir fertig werden. Ein großer Auftrag für uns Menschen und für alle unsere Ichs. Und kein leichter.

Alle Gefühle sind in ihrem Verhalten gleich. Die innerweltlichen wie die überweltlichen. Dieses Verhalten besteht aus:

Anspannung – Aufladung – Entladung – Entspannung.

Gefühle haben immer eine Ursache. Die kommen nie aus dem Nichts.

Es ist schwer, Gefühle aufzuhalten oder zu zerstreuen oder umzuleiten. Am ehesten gelingt das noch in der Anfangsphase der Anspannung. Sind sie aber bei der Aufladung angekommen und werden dort aufgehalten, dann werden sie, auch wenn sie vorher gut waren, dann werden sie böse. Böse nach innen und/oder nach außen. Hoch gestaute Energien suchen nach Wegen der Entladung. Hoch gestaute Gefühle sind eine ernste Gefahr.

So einfach Entstehung und Ablauf der Gefühle auch sein mögen, so schwer ist es für den Betroffenen, sie im Augenblick der Entstehung und des Ablaufs zu erkennen und zu handhaben.

Das Ich

In der Dreierstruktur des Seelenlebens ist das Ich eine Macht für sich. Dies zu erkennen war ein großes Glück. Ein Entdeckerglück.

Im Augenblick der Entstehung neuen Lebens nimmt das dazugehörige Ich Platz in diesem Leben. Die befruchtete Eizelle ist das neue Ich.

Mit dem kann man sich zwar noch nicht unterhalten, aber es weiß schon genau seinen Lebensauftrag und tut alles, um den zu erfüllen. Dabei kann man ihm im Mikroskop zuschauen.

Es ist schon erstaunlich, mit welcher Präzision das junge Ich zu Werke geht.

Die ersten Strukturen des Lebens waren molekulare Verbände mit einer eigenen Hoheit. Mit einer eigenen Hausmacht.

Eigentlich verfügt  jedes Atom über eine eigene Hausmacht. Über einen eigenen Machtbereich und über ein eigenes Beziehungsverhalten. Das sind die Eigenarten des Ich.

Atome gingen Verbindungen ein. Es entstanden Moleküle. Das sind neue und komplexere Wesen, die wiederum ihre Eigenarten haben.

Was ist Leben? Das sind Verbindungen mit einem Eigenleben. Zu solchen Verbindungen sind scheinbar nur bestimmte Elemente in der Lage.

Eine eigene Existenz haben alle Elemente. Aber ein Eigenleben scheinbar nur einige, eher wenige. Das Gold gehört jedenfalls nicht dazu. Und das Uran auch nicht.

Die Chemie wird eingeteilt in anorganische und in organische Chemie. Neuerdings gibt es noch die Biochemie. Dies sind Einteilungen, die Menschen vorgenommen haben.

Es gibt Elemente, die sind in ihren Bindungseigenschaften variabel. Offenbar hängt das davon ab, in welcher Gesellschaft von bestimmten anderen Elementen die sich befinden.

In der Betrachtung der Elemente ist viel Leben.

Eine Gruppe von Elementen verbindet mit ihren Beziehungseigenschaften weitere und höhere Ziele. Nämlich die nach immer komplexeren Verbindungen. Nach immer vielfältigeren Gestaltungen und vielseitigeren Organisationen. Und das alles unter einem Dach. Unter einer Hoheit. Unter einer Bestimmung. Unter einer Verantwortung. Unter einem Ich.

Diesen Elementen scheint ein Sonderauftrag mitgegeben. Der Auftrag zur Erfindung und zur Entwicklung des Ich.

Am Ende dieser Entwicklung steht das einzellige Lebewesen, der erste Mikroorganismus. Die erste lebendige Ich-Hoheit.

Die Mikroorganismen sind die Träger des Lebens. Sie sind das Leben in seiner Urlebendigkeit. Sie sind es, die den Erdkreis bevölkern. Sie sind es, die eine Variabilität entwickelt haben, die unzerstörbar ist. Sie sind es, die alles und alle die Vielzeller überleben werden. Sie sind es, die alle Schandtaten der Menschen überdauern werden.

Auf der Ebene der Mikroorganismen ist das Streben nach immer höheren Organisationen des Lebens für eine Weile zur Ruhe gekommen.

In dieser Ruhe haben die Mikroorganismen den Erdkreis in Besitz genommen.

Als dies getan war, wurde in den Mikroorganismen die alte Unruhe wieder wach.

Das war der Augenblick, in dem die ersten von ihnen sich zu kleineren Zellverbänden zusammen taten und die ersten Versuche starteten,  sich zu einer Einigkeit zu organisieren. Der erste Häuptling war geboren. Das erste Oberhaupt einer vielzelligen Gemeinschaft. Das erste Vielzellen-Ich.

Die eingegebenen Bestrebungen erwiesen sich als dauerhaft und als starken hoch zu immer weiteren Entwicklungen von vielzelligen Organismen. Die Stammesgeschichte der Vielzeller nahm Fahrt auf.

Der Mensch als die neueste Errungenschaft. Das Ich seiner Stammzelle, das sich durch ständige Teilung zum Oberhaupt eines großen organisierten Volkes von Zell-Ichs auf den Weg macht in diese Welt und durch diese Welt.

Jedes einzelne Zell Ich weiß, in welcher Regentschaft es sich befindet. Nämlich in der, die es in sich kennt. Und jedes einzelne ich weiß, wo es steht, und was es da zu tun hat.

Beispiel für die Zellgesundheit: die Wundheilung.

Alle betroffenen Zellen wissen, was und wie viel sie zu tun haben, um die Wunde zu schließen. Und das tun sie mit hoher Präzision.

Beispiel für die Zellkrankheit: der Krebs.

Zellen haben ihre Zugehörigkeit vergessen oder verloren. Sie beginnen, sich beziehungslos zu teilen und zu vermehren. Sich auszubreiten, sich irgendwo niederzulassen und dort ihr Unwesen fortzusetzen. Das ist der Krebs.

Das Streben nach höheren organisierten Ich- Einigkeiten steht nach dem Ankommen im Menschen-Ich nicht still.

Das Arbeitsleben bringt große Gemeinschaften hervor. Alle Formen des Erlebens noch größere. Das Volk als Lebensgemeinschaft. Das Aufkommen von Völkergemeinschaften, ja von Weltbürgertum.

Wenn es den Menschen gut geht, dann sind sie Weltbürger, wenn es ihnen schlecht geht, dann werden die Bewohner des nächsten Dorfes zu Fremden.

Religionen sind Erlebensgemeinschaften von besonderer Art. In der Politik versammeln sich Parteien. Die Kunst vermag Riesenveranstaltungen zu Stande zu bringen. Dasselbe Phänomen begegnet uns im Sport.

Die Aufführungen der neunten Sinfonie von Beethoven im fernen Japan wecken mit ihren riesenhaften Besetzungen von Chor und Orchester spätestens beim Einsetzen des Chores aus 10.000 Stimmen bei vielen Menschen eine Hochstimmung von überweltlichen Ausmaßen.

Im menschlichen Geistesleben ist das Streben nach immer größeren Gemeinschaften, die eines Sinnes sind, ein Streben, dass man in allem, was Leben hat, beobachten kann, stark wie am ersten Tag.

Ob es für dieses Streben ein bestimmtes Ziel gibt?

Wir wissen es nicht.

Das Ich ist hervorgegangen aus dem Leben. Aus der Fülle allen Lebens. Aus der Strukturlosigkeit allen Lebens. Als Struktur.

Alles Leben, das Gestalt annehmen will, muss Struktur annehmen.

Energie ist zwar ungeheuer wirksam, aber unfassbar. Gestalt ist gebundene Energie mit Restenergien, die als Beziehungsenergien wirken.

Mit der Energiebindung entsteht eine eigene Energiehoheit. Eine Eigenmacht. Eine eigene Machtbestimmung.

Das ist das Ich.

In der Dreierstruktur des Geisteslebens sind die Kräfte allen Lebens, die Energien allen Lebens, vorhanden und wirksam. Als Gefühle.

In diesem Haus, der Dreierstruktur des Seelenlebens, sind beide diese Kräfte zu Hause. Und müssen miteinander auskommen. Aber in diesem Hause unter der Oberhoheit des Ich. Unter seiner Macht und seiner Führung.

Das ist nicht meine Idee gewesen, sondern die der Natur. Ich habe diese Verhältnisse nur vorgefunden. Bei meinem Vorhaben, einer gültigen Struktur des Geisteslebens beizukommen.

Und das mit dem Ziel, das Denken der Menschen aus der Beliebigkeit zu befreien und ihnen einen Weg zu öffnen, der in die Richtigkeit führt. In einer Richtigkeit, die dem Einzel Ich des Menschen genauso dient wie dem Ich des weltweiten Menschheitsorganismus. Dem Menschheits-Ich.

Ich bin kein Extremist. Ich bin ein Realist. Ein Kind dieser Erde mit allen ihren Problemen.

Ohne eine Philosophie, die in sich stimmt, wird es keine zukunftssichere Problembearbeitung geben. Die gibt es nur mit einer Philosophie, die der Natur abgelauscht wurde, also einer gefundenen und nicht einer ausgedachten.

Aus einer Philosophie, die stimmt, ist es nicht mehr so schwer, das Verhalten, das für den Umgang im Einzelfall nötig ist, abzuleiten. Das ist der große Wert einer Philosophie, eines Menschenbildes, eines Denkens, das stimmt.

Ohne eine stimmige Philosophie wird jeder Einzelfall zum Streitfall.

Eine Philosophie, die stimmt kann nur auf Beobachtungen beruhen, die aus der Betrachtung der Natur stammen. Die Natur ist unser Wegweiser. Die Mühe müssen wir uns schon machen, die Natur zu betrachten. Geduldig und lebenslang. Der Beliebigkeit oder/und der Einseitigkeit unseres Denkens dürfen wir uns nicht überlassen. Die führt ins verderben. Das können wir im kleinen wie im großen beobachten. Zu dieser Erkenntnis befähigt uns diese Dreierstruktur.

Dem Leben ist unser Verderben egal. Das hat vorgesorgt. Das lebt im Reich der Mikroorganismen weiter. Und wird von dort aus zu neuen Aufwärtsentwicklungen gelangen.

Die Erkenntnis der eigenen Energiehoheit des Ich, eine Energie, die der Macht der überweltlichen Gefühlsenergien entgegen zu treten vermag, die er standhalten kann, diese macht führen und sogar für sich, also das Ich, zum Einsatz bringen kann, diese Erkenntnis gehört ebenso wie die Erkenntnis von der Überweltlichkeit der Energien der Gefühle zu den großen Erkenntnissen. Den Erkenntnissen, die dieser neuen Dreierstruktur des Seelenlebens ihren Wert verleiht.

Der Gedanke liegt nahe, dass diese beiden Hoheiten, die über die Energien des Ich und die über die Energien der Gefühle, aus einer Quelle stammen. Nämlich aus der der Natur.

Wer die Natur ist, wissen wir nicht. Aber wir können ihr zuschauen. In jedem Herzschlag, in jedem Augenblick.

Mit welcher Kraft sonst wäre das Ich dazu in der Lage, die Übermacht der Energien allen Lebens mit seinen eigenen Kräften, den Energien seines Lebens, zu führen und sogar für sich zu gewinnen?

In eigener Sache kann ein starkes ich die Rolle der Natur übernehmen, sozusagen Gott spielen. Vorsicht aber, nur ja kein Hochmut.

Wo her die Macht der Wundertäter? Beispielsweise der der Friedensstifter.

Die Aufträge des Ich?

Da steht an erster Stelle der Hausbau. Der Aufbau des Organismus. Langfristig gesehen auch die Weiterentwicklung seiner Architektur.

An zweiter Stelle die Haushaltung. Der Umgang mit sich selbst.

Dann die Weitergabe des Lebens. Der Umgang miteinander.

Und dann der Umgang mit den Problemen des Alltags.

„Alles Leben ist Problemlösen“.

Es gibt nur zwei Möglichkeiten des Umgangs:

Erstens die Bearbeitung. Die fällt in die Zuständigkeit des Ich. An der Problembearbeitung ist das ich zu erkennen.

Zweitens die Vermeidung. Die hat viele Gesichter. Entsprechend den Gesichtern der Gefühle. An der Problemvermeidung sind die Gefühle zu erkennen. Dies ist die Art aller Gefühle. Für die ist das Leben problemlos.

Nach dem Hausbau die Haushaltung.

Dann die Weitergabe des Lebens.

Dann der Umgang mit allem: mit sich, mit den anderen, mit der Welt, mit der Natur.

Unser großes Umgangsproblem ist das mit der Natur.

Das Denken

das Denken der Menschen ist zu erkennen an seinen Worten, an seinen Taten, an seinen Auslassungen, an seinem Schweigen.

Unter welcher Dominanz das Denken eines Menschen sich bewegt, gestern, heute und morgen, ist leicht zu erkennen wenn man sich im klaren ist über die Charakteristika der drei Strukturen des Seelenlebens: der Gefühle, des Ich, des Verstandes.

Reinkulturen des Denkens sind selten. Mischkulturen die Mehrheit.

Die Mischkulturen zu entziffern ist nicht so schwer, wenn man eine Weile zuhört. Einigermaßen sicher kann man erst sein, wenn man ein und denselben Menschen mehrmals in unterschiedlichen Verhältnissen erlebt hat. Sehr sicher erst, wenn man seine Lebensgeschichte studiert hat.

Reinkulturen des Denkens sind also leicht zu orten.

Mischkulturen mit Aufmerksamkeit und einiger Geduld.

Wichtig für die Diagnose ist das Verständnis für die Strukturen. Daraus ist die Dominanz des Denkens abzuleiten.

Die Dominanz des Ich-Denkens ist erkennbar an der Vernunft seiner Worte und seiner Taten. Egoismus ist kein Erkennungszeichen des Ich. Egoismus ist er auf Seiten der Gefühle zu finden.

Mit der Positionierung des Denkens eines Menschen ist also eine Ich-Diagnostik gegeben.

Die Ich-Diagnostik ist eine Seelendiagnostik. Sie zeigt, in welcher Position ein Ich sich in diesem Hause befindet. Ob es seine Hausherrenrolle im Griff hat oder nicht. Und wenn nicht, dann wer hier und in welchem Maße das Sagen hat.

Daraus ist das Denken eines Menschen und in dessen Folge sein Tun und Verhalten verständlich.

Wie das bei ihm im einzelnen ausschaut, das ergibt sich aus dem Studium seiner Lebensgeschichte. In der Lebensgeschichte werden die prinzipiellen Denkbilder zu persönlichen Lebensbildern.

Die Zusammenarbeit

Jeder ankommende Denkauftrag, den das Ich verschläft, landet automatisch bei den Gefühlen.

Bei denen, die gerade die Stimmung machen. Dort wird der Denkauftrag in der Art und Weise der Gefühle in Empfang genommen, behandelt und unterhalten. Etwaige Probleme werden bei den Gefühlen konsequent vertrieben und deren Folgen wegargumentiert.

Die Argumentationsweise der Gefühle ist, wenn es darum geht, ein Problem weg zu diskutieren, derart flexibel, dass nur ein hochtrainiertes und hellwaches Ich merkt, dass es überhaupt ein Problem gibt.

Eines der schwierigsten Lebensaufträge für das Ich besteht darin, dass es, wenn es wach ist, dann auch wirklich wach ist, gemeint ist wachsam. Damit die Denkaufträge, die ein Problem beinhalten, auch primär bei ihm, dem Ich, landen und dort behandelt werden. Sprich: in Arbeit genommen werden. Wie es eben die Art und Weise des Ich ist.

Eine hohe Wachsamkeit des Ich ist eine der höchsten Ich-Leistungen.

Eine weitere Ich-Leistung von hohem Rang ist die Erbringung und Erhaltung eines hohen Grades an Verstandestainiertheit.

Ein hoch trainierter und allzeit einsatzbereiter Verstand ist dem Ich ein starker und guter Helfer.

Ein Ich, das es gelernt hat, mit seinen Gefühlen umzugehen, dass es sogar gelernt hat, seine Gefühle für die Mitarbeit an seinen Vorhaben und Zielen zu gewinnen, dem sind seine Gefühle ebenfalls guter Helfer. Solche Gefühle sind dem Ich Lieferanten für große Kräfte, bisweilen für Kräfte von überweltlichen Ausmaßen. Zudem außerordentlich sichere Melder von Botschaften und/oder Gefahren, sowohl solchen, die von innen kommen, als auch solchen, die von außen kommen.

Ein Ich, das eine gut erprobte und bestens eingearbeitete Helfergruppe hinter sich hat, das kann Großtaten vollbringen.

Wir Menschen sind nicht Herr der Gefühle. Jedenfalls nicht ohne eine große Lebenserfahrung.

Es gibt nicht nur die guten und die großen Gefühle des Lichtes. Es gibt auch die bösen und die großen Gefühle der Finsternis.

Die Erforschung der gestaltenden Nacht ist sicher hilfreich und angebracht. Bestimmt in manchen Fällen auch erfolgreich.

Damit sind aber die bösen Gefühle und die großen Gefühle der Finsternis nicht aus der Welt geschafft.

Es gibt unter uns manche, die glauben, nichts mit solchen Gefühlen in sich zu tun zu haben. Denen sind einfach noch keine Situationen, Ereignisse, Erlebnisse widerfahren, in  denen sie plötzlich sich selbst – vielleicht mit einigem Erschrecken – in solchen Gefühlen sich wiederfanden.

Zu dem Auftrag des Ich gehört es. Mit allen Gefühlen, sowohl denen des Lichtes wie denen der Finsternis, sowohl denen in sich wie denen außer sich, zu einem Umgang zu finden, den ich als Frieden bezeichne.

Die große Errungenschaft der Dreierstruktur des Seelenlebens ist die Fähigkeit, mit allen Gefühlen fertig zu werden.

Gefühle sind ansteckend. Warum sind die ansteckend? Weil die in uns drin sind. Alle! Von der höchstens Friedenskraft bis zur tiefsten Niedertracht.

Mit dieser Dreierstruktur ist eine Orientierung im Seelenleben gegeben. Nicht aber das Seelenleben selbst in seiner ganzen Fülle. Dieses ist nachzulesen in den großen Werken der Weltliteratur. Und in einem anderen Buch von mir, dem Bilderbuch des Seelenlebens. Aber darin ist auch nicht das ganze Seelenleben zu finden, sondern nur einige Skizzen.

Sollte einer ein besseres Orientierungsmodell als dass meine zu bieten haben, dann bin ich gerne bereit, es zu sichten, und, wenn es wirklich besser ist, mich ihm anzuschließen.

Johann Wolfgang Goethe:

Das schönste Glück des denkenden Menschen ist, das Erforderliche erforscht zu haben und das Unerforschliche ruhig zu verehren.