Verabschiedungen…

Beinahe täglich ist mit Kündigungen zu rechnen.

Fähigkeiten, die noch bis gestern zuverlässige Besitz schienen, die melden sich krank oder schwach oder gleich ganz ab.

Reflexe, die sicher waren, taumeln plötzlich.

Auf einer langen Autofahrt in einem Anflug von Selbstvergessenheit taucht plötzlich die Frage auf: „wo ist eigentlich das Bremspedal?“ Erschrockenes Tasten mit dem anderen Fuß, zweifelndes Treten, hoffentlich geht das, und das Auto bremst ab. Große Erleichterung. Und Aufruf und Beschwörung des Bewusstseins zu absoluter Wachsamkeit. Ersatz der Reflexe durch Wachsamkeit und Aufruf zu regelmäßigem Training.

Und nur ja keine Hektik. Denn die gefährdet jedes Funktionieren, alle Fähigkeiten.

Ruhe ist jetzt das höchste Gebot. Denn sie behält die Übersicht.

Und Nüchternheit im Umgang mit den verbliebenen Fähigkeiten.

Jammern bringt nichts zurück, und Hader schon gleich gar nicht.

Achtsamer Umgang und dosiertes Training vermag manches an Erhalt.

Und wer es schafft, weiterhin alles zu beobachten, dem gelingt sogar noch einiges an Erkenntnis über das Alter. Das sollte er wirklich aufschreiben. Das gehört gewiss zu dem wertvollen seiner Hinterlassenschaft.

Ich hoffe, dass das Denken durch ein derartiges Verhalten noch lange am Leben bleibt: die Erkenntnisse, die Einfälle, die Einsichten noch lange zu mir kommen.

Die Frauengestalt, einst eine allgegenwärtige Begleiterin, mächtig im körperlichen und im geistigen, bisweilen bedrohlich, die ist im Geiste immer noch da. Schwer abzuschätzen, in welcher Macht, jedoch im Körper nur noch als eine in mancherlei Launen daher kommende Weggefährtin. Die braucht im Umgang schon sehr viel Zeit und Geduld.

Das Alter ist ein Übungsfeld. Das hat Ähnlichkeiten mit der Kindheit und der Jugend.

Damals ging es um das Ankommen in dieser Welt. Nun geht es um das Ankommen in einer anderen Welt. So unbekannt, wie diese Welt uns damals erschien, so unbekannt erscheint uns heute die kommende Welt. Wir brauchen denselben Mut, dieselbe Zuversicht.