Dies ist ein kurz gefasster Vortrag über die Gestalt und die Arbeitsweise des menschlichen Geisteslebens.
Die Grundaktivität allen Lebens ist das Denken. Ich spreche auch von Bewegung oder von innewohnender Energie oder auch von Regungen, die in energetischen Systemen ablaufen. Dies nur als Andeutung darüber, wie weit mein Begriff vom Denken gemeint ist und reicht.
Unser Denken folgt der Grenzenlosigkeit, der Beliebigkeit. Mit anderen Worten: es folgt dem Prinzip von Lust und Unlust.
Unser Denken ist also zu allem in der Lage, zu jeder Schandtat und zu jeder Wohltat. Diese Art zu denken scheint mir spezifisch menschlich. Denn alle Verhaltensweisen der übrigen Lebewesen bewegen sich in relativ engen und zudem artspezifischen Grenzen. Was auf ein entsprechendes Denken schließen lässt. Ja sogar auf ein artenspezifisches Denkmuster oder Denkprogramm. Ein Hund verhält sich wie ein Hund und eine Katze wie eine Katze. Offenbar können die gar nicht anders.
Bei uns Menschen ist das anders. Jeder von uns kann in jeder Richtung anders denken und anders handeln. Von der allmächtigen Natur, derjenigen also, die alles erschafft, hervorbringt, entwickelt, ein in seinen Folgen aus unserer menschlichen Sicht sehr gewagtes Experiment in der Entwicklung weiterer Formen des Lebens.
Dieses unser menschliches Denken hat für uns und für unsere Umgebung weit reichende Vorteile und Nachteile.
Einfach gesprochen: wir sind in der Lage, alles zu zerstören und vieles zu erhalten oder wieder aufzubauen. Wir sind fähig, als Forscher in jeder Richtung tätig zu sein
Also vollkommen beliebig ist unser Denken und in dessen Folge unser Verhalten nicht. Wir sehen die Folgen unseres Verhaltens und sind in der Lage, unser Denken und Verhalten vorausschauend zu steuern. Und dies entsprechend unseren Bedürfnissen und Notwendigkeiten. Es gibt also in unserem Geistesleben wirksame Kräfte, die eine solche vorausschauende Steuerung ermöglichen. Ich nenne diese Kraftbündelungen Energie-Hoheiten.
Davon gibt es nach meinen langjährigen Erkundungen drei. Diese sind:
- die Gefühle, die unsere Kraft und unser Gespür darstellen,
- die Verstandesstimmen, die für die Darstellung der Realitäten dieser Welt zuständig sind,
- unser Ich, das für die Führung unserer Wanderung durch diese Welt verantwortlich ist.
Das Ich ist es, das die alleinige Verantwortung für die Ergebnisse unseres Denkens trägt. Das, was für die anderen Lebewesen deren Verhaltensprogramm ist, das ist für uns unser Ich.
Die anderen beiden, der Verstand und die Gefühle, sind notwendige Mitarbeiter des Ich bei der Bewegung und der Steuerung unseres Denkens und Tuns.
Die Gefühle sind Energiewolken mit einer diesseitigen und einer jenseitigen Dimension. Sie erfassen und melden alles Denkbare und alles Undenkbare. Sie sind das Leben.
Das Ich ist persönliches Leben. Es ist das Leben, das eine eigene Struktur angenommen hat. Und als Gestalt, als Individuum, in dieser Welt erschienen ist. Eine Gestalt, die verantwortlich ist für die Führung dieses Lebens in dieser Welt.
Die Verstandesstimmen sind aus dem Ich hervorgegangen. Aber gewissermaßen ausgelagert, um eigenverantwortlich als Lieferanten für alle die Realitäten dieses Lebens tätig sein zu können. Dies um ein in großmächtigen Gefühlsstürmen taumelndes Ich wirksam in seiner Verantwortung halten zu können.
Dies war mein Bild von unserem Geistesleben.
Dieses Bild habe ich mir nicht ausgedacht, sondern gefunden, durch langes Beobachten menschlichen Denkens, das mit der Bearbeitung großer Lebensprobleme beschäftigt ist, schließlich gefunden. Über manche Wege und auch Irrwege gefunden.
Der Weg, der zu zuverlässigen Ergebnissen über das menschliche Denken führt, beginnt nicht mit der Einlassung auf das Denken der anderen. Er endet dort. Aber er beginnt mit der Einlassung auf das eigene Denken. Das ist kein gefahrloses Unternehmen. Aber es ist nötig für die Sicherheit und damit für die Brauchbarkeit der End-Ergebnisse.
Dies ist der Weg des Forschers, der es mit dem menschlichen Denken aufzunehmen gedenkt. Dies war bei meinen Erforschungen die wertvollste Entdeckung, die Schlüsselentdeckung.
Nach meiner eigenen Einschätzung ist mein Bild vom Denken des Menschen nicht vollendet. Es befindet sich weiterhin in meiner Bearbeitung und in meiner Überprüfung. Aus meiner Erfahrung hat es aber inzwischen einen hohen Grad an Stimmigkeit erreicht. Also einen hohen Grad an Annäherung an das „Denken“ der Natur.
Ich bin von meiner Berufstätigkeit her in der komfortablen Lage, ständig mit problembeladenen Menschen über deren Probleme eingehend sprechen zu können. Diese Menschen sind für mich die Lieferanten für die eingehende Beobachtung von fundamentalem Denken. Dafür bin ich denen dankbar. Auch meinem Schicksal bin ich dankbar für diese Berufswahl.
Die Chance der eingehenden Beobachtung essentieller Denkvorgänge habe ich gründlich für die Entwicklung meines Bildes vom menschlichen Geistesleben genutzt. Dabei habe ich allerdings die Fähigkeit zum Smalltalk ziemlich vernachlässigt.
Für diese einfache und – ich hoffe – verständliche Darstellung habe ich zehn Jahre gebraucht.
Mittwoch, den 25. November 2020
Ich war der Meinung, alles gesagt zu haben. Alle meine Erkenntnisse über das Denken und über die Kräfte, die auf das Denken einwirken.
Nun ist mir aber eingefallen, dass ich noch etwas ganz Wichtiges vergessen habe, nämlich den Gebrauchswert dieser Erkenntnisse zu erklären.
Das hole ich jetzt nach.
Ohne diese Erkenntnis über die Kräfte, die auf das Denken einwirken, sind wir der Beliebigkeit unseres Denkens auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Ohne diese Erkenntnisse sind wir nicht Herr unseres eigenen Denkens. Und damit auch nicht unseres Tuns. Wir sind nicht Herr im eigenen Haus.
Mit diesen Erkenntnissen aber sind wir in der Lage, unser Denken aus dem Einflussbereich der einen Kraft zu entfernen und dem Einflussbereich einer anderen Kraft zuzuführen, und das in einer Dosierung, die wir für die Bearbeitung eines speziellen Problems brauchen. Wir können also unser Denken entsprechend unseren Bedürfnissen und Notwendigkeiten zum Einsatz bringen. Wir können unser Denken führen und dosieren. Wir sind ihm nicht mehr ausgeliefert. Wir sind zum Herrn im eigenen Hause geworden.
Es geht nun einfach darum, diese Erkenntnisse zum Einsatz zu bringen, zu gebrauchen, zu nutzen.
Das ist nicht immer ganz leicht. Von selbst tut sich das nicht. Aber mit Aufmerksamkeit und einigem Training ist das zu machen.
Jede Problembearbeitung braucht die Verantwortung des Ich. Sie braucht die nötige Portion an Kraft. Sie braucht die Kenntnis der beteiligten Realitäten. Das Ich ist der Führer. Es sorgt für die richtigen Dosen an Kraft und an Kenntnis.
Mit dem Ich und seinen Mitstreitern ist dem menschlichen Denken eine Orientierung von besonderer Art zuteil geworden. Kein sicherer Kompass, aber immerhin eine Orientierung. Die Beliebigkeit seines Denkens ist dem Menschen geblieben, aber die Möglichkeit und die Fähigkeit einer Steuerung seines Denkens ist ihm ebenso gegeben.
Der Gebrauch dieser Erkenntnis kann ein ganzes Leben verändern. Der Wert dieser Erkenntnis ist also einer von der allerhöchsten Sorte. Wer das Denken verändert, verändert den Menschen.
Und das ist jetzt – hoffentlich! – Alles, was ich zu sagen hatte.
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